Grußworte

Oberbürgermeister Frankfurt (Oder)

René Wilke

Liebe Gäste des PianOdra-Festivals,

schon zum vierten Mal in Folge bereichert das PianOdra Klavierfest die vielfältige Frankfurter Kulturlandschaft mit spannenden eigenen Akzenten. Freie Projekte dieser Art, die unsere Stadt auch überregional repräsentieren, zeigen die große Bereitschaft professioneller und ehrenamtlicher Akteure, dem Gemeinwohl zu dienen. Der Blick auf die Musik Ludwig van Beethovens und die für ihn so wichtige Stadt Wien aus ganz verschiedenen Perspektiven verspricht interessante Entdeckungen. Beethoven, dessen 250. Geburtstag wir 2020 feiern, steht nicht nur für großartige Musik, sondern auch für grundlegende humanistische Werte, die bis heute nichts von ihrer Relevanz verloren haben. Lassen Sie sich also inspirieren und bestens unterhalten mit Musik aus „Beethovens Wien”.

René Wilke
Oberbürgermeister Frankfurt (Oder)

Präsidentin der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Prof. Dr. Julia von Blumenthal

Liebe Gäste des PianOdra-Festivals,

herzlich willkommen zum diesjährigen PianOdra Klavierfest an der Europa-Universität Viadrina! Bereits zum vierten Mal infolge ist der historische Logensaal der Viadrina Ort einer musikalischen Entdeckungsreise. Dass sie uns in diesem Jahr in Beethovens Wien führt, freut uns als Europa-Universität besonders. Denn nicht nur zu seinen Lebzeiten war der vor 250 Jahren in Bonn geborene und später nach Wien gezogene Komponist mit seiner regen internationalen Konzerttätigkeit ein großer Europäer. Es ist seine Melodie zu Friedrich Schillers Ode ‚An die Freude‘ aus der 9. Symphonie, die 1985 zur offiziellen Hymne der Europäischen Gemeinschaften wurde und Beethoven damit posthum zum Schöpfer des musikalischen Symbols Europas machte. Auch diese wird in der siebenteiligen Konzertreise durch unser Nachbarland Österreich im Logensaal zu hören sein – neben zahlreichen Werken weiterer Komponisten der Wiener Klassik. Dies geschieht in gewohnt vielfältigen Formaten von Kammermusik und Klavierabenden über Angebote für Kinder bis hin zum Jazzkonzert.

Dieser Mischung internationaler Musikwelten auch in diesem Jahr als Kooperationspartnerin des PianOdra- Festivals 2020 die Türen öffnen zu dürfen, ist uns eine große Freude.

Ein schönes Festival wünscht Ihnen

Prof. Dr. Julia von Blumenthal
Präsidentin der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Konzertpianist und künstlerischer Leiter

Christian Seibert

BEETHOVENS WIEN

Vor dem Abschluss meines Konzertexamens in Köln habe ich drei Jahre im Rahmen eines Stipendiums in Wien an der dortigen Universität studiert. Diese Jahre gehörten zu den schönsten meines Lebens. Nicht nur, weil ich durch eine Zufallsbekanntschaft dort völlig überraschend zu einer kostenlosen Abo-Karte für die Wiener Staatsoper kam – ein Sitzplatz in der Loge, wo normalerweise keine Kulturschaffenden sitzen – sondern vor allem, weil man sich als klassischer Künstler dort sofort zuhause fühlt.

Als solcher ist man - wie der Pianist Friedrich Gulda sagte - auch eine Art Museumsdiener, und Wien hat dafür das richtige Flair. Hier konnte man nun bedenkenlos „die Alten“ spielen und bekam keinen Kulturschock, wenn man die sogenannte „Übezelle“ wieder verließ. Immer dabei war: Ludwig van Beethoven!

Als Student hatte ich durchaus gemischte Gefühle beim Erarbeiten seiner Werke. Das lag nicht an der wunderbaren Musik, sondern an den sehr unterschiedlichen Interpretationsansichten meiner Lehrer. Insbesondere die emotionalen Diskussionen über das richtige Tempo stecken mir bis heute in den Knochen. Die von Beethovens Schüler Carl Czerny überlieferten Tempoangaben standen immer wieder zur Debatte. Ich wünschte mir im Nachhinein, man hätte sich früher eine größere Unabhängigkeit zu solchen und anderen Diskussionen erarbeiten können, da sie oft zu einem richtigen „Klassikkomplex“ geführt haben, wie es mein damaliger Wiener Lehrer Prof. Petermandl mal treffend ausgedrückt hat und der in der eigenen Programmauswahl immer wieder dazu führte, auf eher „weniger Gefährliches“ aus der romantischen Klavier-Literatur zu setzen.

Beim PianOdra Klavierfest gibt es keinen „Klassikkomplex”. Der Geburtstag Beethovens jährt sich 2020 zum 250. Mal, und wir wenden uns mit großer Freude und ohne Scheuklappen „seinem Wien” zu. Wir tun das in gewohnter Art und Weise mit einer Programmgestaltung, die mit vielfältigen Formaten vom Klavierabend, über Kammermusik, einer Konzertlesung, einem Liederabend, Kinder und Familien-Konzerten bis zu jazzigen Neuinterpretationen Anspruch und Unterhaltung zu verbinden sucht. Dirk Lötfering, 25 Jahre als Musikjournalist mit einer eigenen Radiosendung für den WDR tätig, wird Sie dabei begleiten und durch das Programm führen.

Ich möchte mich an dieser Stelle schon einmal herzlich bei der Stadt Frankfurt (Oder), der Europa-Universität Frankfurt (Oder) und dem Rotary Club Frankfurt (Oder) für die Unterstützung bedanken. Ganz besonderer Dank gilt unseren privaten Spendern, dem Freundeskreis der KleistMusikSchule und meinem Team.

Um noch einmal auf das richtige Tempo bei Beethovens Klaviersonaten zurückzukommen: Bringen Sie doch ein Metronom zum Konzert mit. Für den ersten Satz der Waldstein-Sonate, die ich im Eröffnungskonzert spiele, schreibt Carl Czerny Tempo 88 auf halbe Noten vor. Für den 2. Satz der Klaviersonate op. 111, die mein Vater im Klavierrezital spielt, Tempo 63 auf punktierte Achtel. Ob wir uns daran halten werden?

Christian Seibert
Konzertpianist und künstlerischer Leiter

„Beethoven,
immer wieder …“

„Muss das sein: Beethoven – schon wieder !?“ Angesichts einer Fülle vorliegender Filme, CDs oder Funkaufnahmen, die das Schaffen dieses Klassikers jederzeit greifbar machen, scheint diese Frage nicht aus der Luft gegriffen. Selbst wenn es seinen 250. Geburtstag zu feiern gilt (der ja auch als Anlass zu weiteren Gesamteinspielungen, Biographien oder Urtextausgaben dient), darf man diese Frage aufwerfen – man soll es sogar. Immerhin ist das Werk eines jeden nicht-zeitgenössischen Komponisten in mehr oder weniger ferner Vergangenheit entstanden: was kann es uns also heute zu sagen haben – die wir doch in gänzlich anderen Umständen leben, von technischen Errungenschaften profitieren, die unsere Lebensspanne erweitern und zugleich kurzlebiger gestalten? Schon die bloße Erinnerung daran, welch großen Zeitaufwand man seinerzeit betreiben musste, um von Wien aus die böhmischen Bäder zu erreichen (eine Fahrt, die man heute bequem in fünf Stunden hinter sich bringt), macht deutlich, wie unterschiedlich Lebensrhythmus und Zeitgefühl, wesentliche Elemente der Ausübung und Wahrnehmung von Musik, im Vergleich von damals und heute sein müssen. Ist Beethoven da nicht „überholt“?

„Muss das sein: Beethoven – schon wieder !?“ Angesichts einer Fülle vorliegender Filme, CDs oder Funkaufnahmen, die das Schaffen dieses Klassikers jederzeit greifbar machen, scheint diese Frage nicht aus der Luft gegriffen. Selbst wenn es seinen 250. Geburtstag zu feiern gilt (der ja auch als Anlass zu weiteren Gesamteinspielungen, Biographien oder Urtextausgaben dient), darf man diese Frage aufwerfen – man soll es sogar. Immerhin ist das Werk eines jeden nicht-zeitgenössischen Komponisten in mehr oder weniger ferner Vergangenheit entstanden: was kann es uns also heute zu sagen haben – die wir doch in gänzlich anderen Umständen leben, von technischen Errungenschaften profitieren, die unsere Lebensspanne erweitern und zugleich kurzlebiger gestalten? Schon die bloße Erinnerung daran, welch großen Zeitaufwand man seinerzeit betreiben musste, um von Wien aus die böhmischen Bäder zu erreichen (eine Fahrt, die man heute bequem in fünf Stunden hinter sich bringt), macht deutlich, wie unterschiedlich Lebensrhythmus und Zeitgefühl, wesentliche Elemente der Ausübung und Wahrnehmung von Musik, im Vergleich von damals und heute sein müssen. Ist Beethoven da nicht „überholt“?

Sucht man nach Antworten, so stellt man fest, dass es keinen zweiten Komponisten gibt, dessen Schaffen bis heute für so viele seiner Kollegen richtungsweisend war, wie eben dasjenige Beethovens. Selbst im Petersburger Arbeitszimmer eines scheinbar so entfernten Meisters wie Dmitri Schostakowitsch befand sich eine Beethoven-Büste – auch ein vermeintlicher Kollaborateur der Arbeiter- und Bauernklasse berief sich also auf einen Wiener Meister, der mit gekrönten Häuptern auf beinahe freundschaftliche, jedenfalls gleichrangige Weise verkehrte. Grund dafür liefert natürlich seine Musik – wobei das Aufrüttelnde, Angreifende dieser Klänge nur die allerdings spektakuläre Oberfläche bildet.

Genauer betrachtet, liegt der Grund für Beethovens überragenden Einfluss auf Zeitgenossen und Folgegenerationen in seiner Kompositionstechnik: der meisterhaften Art und Weise, wie er das Spiel mit den kleinsten Bausteinen, den Motiven, zur Gestaltung der musikalischen Entwicklung nutzt. So erfüllt er nicht nur das ästhetische Postulat der Ökonomie des Materials: der musikalische Fluss gestaltet sich derart konsequent, derart konzentriert, dass sich beim Hörer der Eindruck von etwas Getriebenem, fast Manischem, einstellen kann – ein Eindruck, den die damalige Kritik Beethoven auch zum Vorwurf gemacht hat und der wesentlich zu seinem Ruf eines Besessenen beitrug.

Allerdings hat er dieses Satzprinzip (ebenso wie Sonate, Streichquartett oder Sinfonie) nicht selbst erfunden – diese Leistung hat zum größten Teil Joseph Haydn erbracht, der denn auch für kurze Zeit Beethovens Lehrer war. Vielmehr darf man Beethoven als den Vollender einer Schule, der Wiener Klassik, einordnen: er übernimmt die schon vor ihm entwickelte Klangsprache, verwandelt sie seinen persönlichen Ausdrucksvorstellungen an – und weitet sie schließlich derartig aus, dass ihn die französische Musikwissenschaft sogar als ersten Romantiker bezeichnet.

Das ist insofern stimmig, als dass sich der Mensch Beethoven ohnehin nicht als klassisch wohlgesetzter, braver Bürger einordnen lässt. Als autonomer, gefeierter Künstler nimmt er sich sehr wohl das Recht auf Unangepasstheit heraus – er gefällt sich in seinem selbstbewussten Individualismus so sehr, dass er es sogar auf Konflikte mit den Mächtigen ankommen lässt. Berühmt ist ein gemeinsam mit Johann Wolfgang von Goethe unternommener Spaziergang, der zu einer Begegnung mit der österreichischen Kaiserfamilie führt: während der Geheimrat mit gezogenem Hut an den Straßenrand tritt, geht Beethoven mitten auf der Straße weiter, wobei nicht er, sondern die Herrscherfamilie ausweichen muss.

In dieser Episode kommt Beethovens Selbstbewusstsein deutlich zum Ausdruck: das Individuum, seine ganz spezielle Fähigkeiten machen den Wert einer Person aus – der geniale Künstler steht dem ererbten Monarchen keineswegs nach. Mit dieser Überzeugung sind die Lehren der Aufklärung im Leben des Menschen Ludwig van Beethoven und damit in seiner Kunst „angekommen“: das eigentlich Revolutionäre in seiner Musik ist es eben, dass sich ihr Urheber das Recht und die Freiheit herausnimmt, Konventionen einzuhalten oder aufzukündigen – je nach künstlerischer und damit subjektiver Notwendigkeit.

Diese souverän ausgelebte Freiheit hat Beethovens Mitmenschen ebenso wie Musiker und Hörer oft überfordert. Vor allem die späten Werke schlagen derart unkonventionelle Töne an, dass Interpreten ebenso wie Publikum ihr seinerzeit ratlos gegenüberstanden. Und hier liegt ein wichtiger Grund dafür, weshalb die Auseinandersetzung mit Beethovens Leben und Werk auch heute aktuelle Bedeutung hat: wie weit dürfen individuelle Rechte oder Freiheiten ausgereizt, Konventionen außer Acht gelassen werden? Riskiert der ungezügelte Individualist nicht zumindest Unverständnis – wenn nicht Ausgrenzung oder Anfeindung? Führt Selbstverwirklichung um jeden Preis nicht zu fast anarchischen Verhältnissen – zum Kampf aller gegen alle?

Beethoven hat in seiner Kunst nichts zerstört, sondern Neues geschaffen – niemand eingeengt, sondern von Überstandenem befreit. Wortwörtlich ist ihm das Kunst- Stück gelungen, der Allgemeinheit neue Perspektiven frei zu machen, gerade indem er gegen fesselnde Konventionen verstößt. Ein Vorbild für die Gegenwart?!

„Muss es sein?“ Auf die Frage, ob die Beschäftigung mit Beethoven und seinem Werk auch nach 250 Jahren noch lohnend oder sinnvoll sein kann, lässt sich also mit seinen eigenen Worten antworten:

„Es muss sein. Es muss sein. Ja! Ja! Ja! Ja!“

von Dirk Lötfering

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